Was wir von unseren Kindern für den Umgang mit der Digitalisierung lernen können…

Willkommen in der virtuellen Welt! In der ist Klötzchen aufeinanderstapeln (Minecraft), sich online in Clans bekämpfen (Clash of Clans) oder „youtuben“ zum Lebensinhalt unserer Kids geworden. Wer’s ein bisschen kreativer mag, sieht Musikvideos. Wie die von den Lochis, jenen pubertierenden Milchgesichtern, die ganz witzige Songs schreiben, sich gegenseitig challengen und sich zur Not auch mal einen Döner ins Gesicht schmieren… Die Klickzahlen? Gehen in die Millionen. Und im Frühjahr gehen sie sogar auf Tour. Kein Wunder, dass mein jetzt 10-jähriger Sohn mir neulich eröffnete: „Papa, ich werde YouTuber!“

Eine neue Industrie

Man mag diese Trends belächeln, nicht für voll nehmen oder gar ablehnen. Und doch sie sind da. Und sie sind erfolgreich. Eine ganze Industrie ist daraus entstanden. Die 1.000 größten YouTube-Channels verdienen im Schnitt 23.000 US-Dollar pro Monat. Jenseits der Millionen-Klicks lauern gewaltige Einnahmen, die sich mit Merchandising, Lizenzen oder Affiliate-Marketing aufbessern lassen. Und www.selbstaendig-im-netz.de berät die jungen Kreativen.

Neulich erzählte mir ein Freund aus Spanien von einem Bekannten. Der habe vor einigen Jahren angefangen, Minecraft-Videos auf YouTube hochzuladen. Sein eigener Kanal wurde aufgrund der großen Reichweite des Spanischen so erfolgreich, dass seine Hausbank ihn zum Gespräch lud: „Wir müssen uns mal über das Geld unterhalten, das monatlich auf Ihrem Konto landet… Wo kommt das her?“ Ein Blick in die Top 50 der Youtube-Stars zeigt: vegetta777 liegt bei einem geschätzten Jahreseinkommen von 1,6 Millionen US-Dollar.

Entkopplung von traditionellen Industrien

Die Reaktion der spanischen Hausbank zeigt sehr anschaulich, dass Entwicklungen im Netz oftmals an traditionellen Industrien und Branchen komplett vorbei gehen. Und tatsächlich! Warum kann ich meine Bosch-Waschmaschine nicht mit einer App von unterwegs aus steuern? Wieso kommuniziert mein Navigtionsgerät im Auto nicht mit dem Netz und sorgt für Echtzeit-Informationen? Warum sagt mir Google, wo der Flug 4U 766 gerade unterwegs ist und wann er landet, nicht aber die App von Eurowings? Und warum gibt es auf YouTube so wenig coole Videos über neue und innovative Produkte?

Die deutsche Industrie besticht durch Ingenieurskunst, Perfektionismus und 0-Fehler Kultur. Unsere Stärken, die Produkte hervorbringen, um die die Welt uns beneidet. So dachten wir zumindest bisher. Doch im Zeitalter der Digitalisierung stellt sich heraus, dass Perfektion auch Langsamkeit oder gar Langeweile bedeuten kann. So wird man schnell „Schnee von gestern“. Wer hingegen Innovation wagen will, muss auch bereit sein, auf technische Ausgereiftheit zu verzichten. Oder bereit sein, querzudenken. Auch wenn sich das naiv anfühlt.

Mindset 4.0

Was lernen unsere Kinder auf YouTube und im Netz? Einfach mal machen. Ausprobieren. Jeder kann es mit einer guten Idee schaffen. Pioniergeist und Schöpfertum. Auch mal scheitern dürfen. Hervorragende Eigenschaften, die sie dann als junge Erwachsene in Unternehmen hinein tragen können. Die Generation Y, die ersten Digital Natives, macht es uns heute schon vor: Anders denken, Grenzen sprengen, Kritik als Chance, Feedback als willkommener Anlass, weiter zu wachsen.

Und welche Geisteshaltung braucht es hierfür in Unternehmen? Wir benötigen einen Mindset 4.0: Den Glauben an persönliches Wachstum auch jenseits der 40. Offenheit und Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Auch mal ausgetretene Pfade zu verlassen. Kreativ herumzutollen. Trial and Error. Gerne mit Verantwortungsbewusstsein. Aber das Sicherheitsdenken unserer Eltern und Großeltern darf heute keine Berechtigung mehr haben.

Die Verwirklichung einer agilen, offenen und lernbereiten Haltung muss Einzug in unsere Unternehmen halten. Am besten beflügelt und vorgelebt durch Inhaber, Vorstände und Geschäftsführer. Nur mit einem Mindset 4.0 kann es gelingen, die Kluft zwischen Internet und Industrie zu schließen, die Brücke zwischen Generationen zu schlagen und so die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern.

Bild © pexels

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