Warum die Frage nach Motivierung künftig überflüssig sein wird
Wer kennt das nicht? Mal läuft es besser mit der Mitarbeitermotivation, mal schlechter. Mal brennen die eigenen Leute für ein Projekt, die Sache oder das Unternehmen, mal haben wir den Eindruck, sie machten nur Dienst nach Vorschrift. Wie aber bekommen wir das ganze Engagement unserer Mitarbeiter und Kollegen? Wie kriegen wir es hin, dass die Menschen „wollen, was sie sollen“? Oder werden wir uns in Zukunft diese Fragen gar nicht mehr stellen müssen?
Mythos Motivation? Was die Forschung sagt
Ganze Generationen haben sich abgearbeitet an dem Thema Motivation und es hat sich vor allem auch dank Reinhard K. Sprengers Bestseller „Mythos Motivation“ herumgesprochen, dass intrinsische Motivation besser ist als extrinsische Motivation. Folgerichtig erklärt Sprenger eine kategorische Absage an Bedrohen und Bestrafen, an Umgarnen, Ködern und Bestechen. Schon Otto Rehagel wusste schließlich, dass „Geld keine Tore schießt.“
Doch so einfach ist die Sache nicht: Der US-amerikanische Psychologe und Verhaltensökonom Dan Ariely und Kollegen haben herausgefunden, dass Motivierung durch äußere Anreize, Boni oder Prämien durchaus funktioniert: Nämlich überall dort, wo Tätigkeiten im Spiel sind, die routinemäßig erledigt werden können. Handelt es sich hingegen um Aufgaben, bei denen Kreativität, Querdenken und Eigeninitiative gefragt sind, haben Anreize sogar eine gegenteilige Wirkung: Sie hemmen oder verzögern den Erfolg. Akkord kann also durch Prämien gesteigert werden, Kreativität nicht.
In den heutigen Industriegesellschaften sind Routinearbeiten weitestgehend outgesourct oder sie werden im Zuge der Digitalisierung mehr und mehr durch künstliche Intelligenz ersetzt. Folglich funktioniert auch eine Management-Denke, die noch aus dem Industriezeitalter stammt, nicht mehr. Ade Zuckerbrot & Peitsche!
Ein neues Paradigma fürs Leadership im digitalen Zeitalter
Wie könnte Motivation im digitalen Zeitalter aussehen? Ich schlage als Heilmittel vor: Freiheit, persönliche Weiterentwicklung und Sinn. Es gibt viele Unternehmen, die diese Philosophie bereits leben. Freiheit beispielsweise: Google erlaubt seinen Ingenieuren, 20% ihrer Arbeitszeit frei zu nutzen. Aus diesem Potential entstehen 50% der Innovationen im Unternehmen, Google Earth zum Beispiel. Und es sind längst nicht nur digitale Unternehmen, die so arbeiten. 3M tut dies schon seit Jahrzehnten und ein Ergebnis dieser Praxis, das viele von uns sehr schätzen, ist das Post-it.
Bedauerlicherweise sieht die gelebte Praxis heutzutage auch vielerorts noch anders aus: Rigide Vorgaben; unrealistische oder aufgezwungene Ziele; ein Controlling, das auf negativer Abweichung fußt; das Top-Management interessiert sich vor allem für Ruhe in der Mannschaft. Folglich wird intrinsische Motivation zusammen mit Innovationskraft unter einem Berg von Strukturen, Prozessen und Vorschriften zu Grabe getragen. Halleluja!
Wie könnte es hingegen in einer beseelten Organisation aussehen? Meisterschaft erlangen Menschen vor allem in Dingen, für die sie sich begeistern und die sie gerne tun. Ein Leben lang weiter zu lernen ist dann selbstverständlich und beschränkt sich nicht nur auf Wissen, sondern schließt persönliches Wachstum mit ein. Wo dann auch noch persönliche Vorlieben, Passionen oder individuelle Lebensentwürfe mit dem Unternehmenszweck zur Deckung kommen, entsteht nachhaltig Sinn.
Adidas ist hierfür ein gutes Beispiel: Ein Gang über das Gelände in Herzogenaurach erinnert mehr an den Besuch eines Universitäts-Campus anstatt an ein Unternehmen: Fußball-, Tennis und Basketballfelder, ein Running-Track, ein eigenes Fitnessstudio, in der Kantine Bio-Essen. Und überall auf dem Gelände Freiräume für kreatives Arbeiten. Man vertraut den Menschen, ihre Zeit selbstständig zu organisieren. Sport ist für die meisten Mitarbeiter persönliche Leidenschaft. Und wer sportlich ambitioniert ist, für den ist auch persönliche Weiterentwicklung kein Fremdwort. Über Commitment braucht man dann nicht mehr lange nachzudenken. Das entsteht in diesem Umfeld von ganz allein.
Mitarbeitermotivation? Eine Frage aus einem anderen Zeitalter
Wollen Unternehmen die Herausforderungen der Digitalisierung meistern, so ist künftig ein anderes Mindset im Leadership notwendig: Freiheit, lebenslange persönliche Weiterentwicklung und der Beitrag zum großen Ganzen statt Kontrolle und Mikromanagement – gepaart mit Zuckerbrot & Peitsche. Denn wer sich selbst verwirklicht, ist automatisch motiviert. Gut möglich also, dass die Frage nach der Mitarbeitermotivation bald Schnee von gestern sein wird.
Photo © pexels